Seien Sie lieb zu Ihrem Content. Er hat Gefühle! Schmeicheln Sie ihm mit schönen Worten. Tun Sie alles, um ihm unerwünschte LeserInnen vom Leib zu halten. Gönnen Sie Ihrem Content den Luxus von LeserInnen, die sich wirklich für ihn interessieren.
Der Kontext wird’s richten! Wir möchten in informationsreichen Umgebungen Content so gestalten, dass LeserInnen schnell entscheiden können, ob der Inhalt ihre Frage beantworten wird. Ein starkes Seitenelement und dafür gut geeignet ist der sog. „Kontext“ – hier in einer besonderen Bedeutung.
Context is the new black.
Gleich vorne weg: Wir lieben LeserInnen
Wir lieben, brauchen und wollen LeserInnen. Auf Blogs und Websites, in Intranets und Wikis sind sie das Blut in den Adern, die Flügel der Flugscharen, das Feuer unter der Suppe. Der Leser ist unser Kunde, unser Partner, unser Freund und Kritiker. Wir möchten LeserInnen geben, was sie brauchen und ihnen anbieten, wovon sie noch nicht geträumt haben. Und am liebsten möchten wir am meisten Zeit mit jenen verbringen, die das ähnlich sehen.
Und alle anderen schnell loswerden. Und wie geht das?
LeserInnen loswerden?
Ziel beim Aufbau einer Seite (auf einer Website, im Wiki, im Intranet) und bei der Erstellung von Content ist es, LeserInnen, für die unser Content nicht relevant ist, „loszuwerden“. Loswerden bedeutet, sie an andere Stellen zu verweisen, ihnen Links zu hilfreichen Seiten und anderen Websites anzubieten. Sie möglichst schnell an Orte zu verlieren, wo sie passendere Informationen finden. Das ist idealerweise eine andere Stelle auf unserer Website oder in unserem Wiki, aber kann auch ein fern entlegener Ort im Web sein. Hauptsache, die Leserin ist glücklich! Und findet, was sie sucht.
Gleichzeitig möchten wir natürlich die LeserInnen behalten, auf die unser Content passt. Und sie bestmöglich zu ihrer Frage informieren oder bei ihrer Aufgabe unterstützen. Wir geben uns nicht der Vorstellung hin, unser Content könnte alle gleichermaßen bedienen! Mehrere Zielgruppen können wir nur erreichen, in dem wir hilfreiche Informationen in Massen anbieten – aber auf mehreren, nicht auf einer einzelnen Seite. Und um die einzelne Seite soll es hier gehen.
Informationsreiche Umgebungen
Besonders textreiche Umgebungen wie informationsgeladene Websites oder ausschweifende Intranets in Unternehmen bestehen aus einem einfachen Grund: Den LeserInnen Informationen zur Verfügung zu stellen. Alles steht wahrscheinlich irgendwo – ist aber nicht immer leicht zu finden. Um den LeserInnen in der Suche die Einschätzung zu erleichtern, ob bestimmte Inhalte für sie relevant sind, hilft es, den Content dahingehend zu gestalten, dass die Einschätzung schnell und zu Beginn des Lesens passieren kann.
Bestimmte Seitenelemente im Webdesign, der Inhalt selbst und auch die Verknüpfung mit anderen Seiten und anderen Websites spielen hier eine Rolle. Wir fassen dies unter „Kontext“ zusammen und meinen damit verschiedene Elemente in verschiedenen Schichten: den Kontext des Web, der Website und des Inhalts. Besprechen wir kurz, wie man von diesen Elementen profitieren kann.
Content is king, context is god.
1: Kontext des Web
Der äußere Kontext, der Kontext des Web, wird über Links zu anderen Websites hergestellt. Ist die Leserin einem Link auf die Website gefolgt, so ist bereits ein äußerer Kontext hergestellt (etwa: andere Websites in den Suchergebnissen von Google). Hier wird der Text selbst zum Web, anderen Websites und dem Mitbewerb in Beziehung gesetzt. Wenn wir auf andere Websites verlinken, stellen wir diesen Bezug her. Kennen wir unseren Mitbewerb, wissen wir auch, welche Informationen dort zu finden oder nicht zu finden sind.
Auch die URL mit der Domain ist damit ein starker Kontextanzeiger: Aus ihr können wir bereits erste Begriffe lesen (www.billigflug-buchen.de
) und wissen, aus welchem Land das Angebot kommt (.de, .at, .co.uk
). Subdomains zeigen an, zu welchem Angebot eine Seite gehört (shop.besserwisser.at, wien.musik.at
).
2: Kontext der Website
Wenn wir die Leserin auf unserer Seite behalten, so helfen wir ihr mit innerem Kontext – dem Kontext der Website –, schnell die Seite zu erfassen. Die Leserin landet möglicherweise über ein Suchergebnis mit einem Klick tief im Inneren unserer, ihr noch unbekannter Website. Sie soll schnell erkennen, wo sie sich gerade befindet. Hier können folgende Elemente hilfreich sein (am Beispiel eines Onlineartikels):
- das Logo (wie heißt die Organisation?)
- der Blurb (was macht die Organisation?)
- das Navigationsmenü (welche Inhalte finde ich hier insgesamt?)
- der Footer (welche Services werden angeboten, wie trete ich in Kontakt?)
- die Seitenleiste (wie kann ich weiter navigieren, was tut sich aktuell?)
- weiterführende Inhalte (was passt zu diesem Inhalt, was finde ich hier noch zum Thema?)
- AutorInnen-Informationen (wer hat diesen Artikel, diese Seite geschrieben?)
- Datumsangaben (wie aktuell ist der Artikel?)
- typografische, grafische, gestalterische, strukturelle Elemente (welche Textform ist das? passt die Aufmachung zu meiner Frage?)
- Kategorien, Schlagwörter (zu welchem Themengebiet wird der Artikel hier gerechnet?)
Diese gestalterischen Elemente helfen LeserInnen vor allem schnell, sich auf Websites zurechtzufinden, wenn sie die Website zum ersten Mal besuchen. Wiederkehrende LeserInnen nutzen die Struktur (Breadcrumbs, Kategorien, weiterführende Inhalte) eher als neue LeserInnen.
Wir gehen nach dem allgemeingültigen „Gesetz des geringsten Aufwands“ davon aus, dass sich LeserInnen nicht mit der Struktur beschäftigen oder die Navigation lernen möchten. Sie wenden möglichst niedrigen Aufwand auf, um zum Ergebnis zu kommen. Dieser Weg des Effizienz-Sparens ist sehr klug!
Ein allgemeingültiges „Gesetz des geringsten Aufwands“ gilt sowohl für kognitive als auch für physische Anstrengungen. […] Faulheit ist tief in unserer Natur angelegt.
—Daniel Kahneman
Was also nicht intuitiv oder bekannt ist, behindert das Navigieren und Verstehen und lenkt vom Inhalt ab. Deshalb verwenden wir gute visuelle Markierungen, um den LeserInnen zu zeigen: „Sie sind hier“. Und gestalten den Content in einer Form, die so schnell als möglich die Entscheidung ermöglicht: „darum geht es und darum nicht und das ist deshalb (nicht) relevant für mich“.
Einen Lernaufwand leistet der von Natur aus träge Nutzer nur dann, wenn großes Interesse vorherrscht oder ein bestimmter Nutzen erkennbar wird.
3: Kontext des Inhalts
Auch im Inhalt selbst können wir LeserInnen helfen, schnell an die gewünschten Informationen zu kommen. Der Kontext der Seite stellt in einem Kontext-Textblock den Inhalt mit anderen Inhalten in Verbindung, die nicht auf dieser Seite zu finden sind. Dieser Kontext-Textblock wird an den Anfang des Artikels gestellt und verschmilzt oft ein wenig mit der Zusammenfassung.
In einem Kontext-Textblock können folgende Informationen Eingang finden:
- Definitionen, Wortherkunft, Wortsynonyme
- Ober- und Unterbegriffe
- Kategorien, Schlagwörter und Schlüsselbegriffe zum Thema
- Eingrenzung des Umfangs (zeitlich, thematisch)
- Entwicklung, Vergangenheit/Zukunftsaussichten
- Teile einer Serie
- Vorannahmen, Voraussetzungen
Wichtig für den Kontext ist vor allem eines: Wir halten unsere LeserInnen stets für kompetent, wissend und klug. Wir gehen davon aus, dass sie bereits alles wissen – bis auf dieses kleine letzte Stückchen Information, das wir ihnen auf unserer Seite bieten möchten. Sollte ein Leser die Vertiefung seines Wissens wünschen, so geben wir ihm direkten Zugang zu weiteren Themen: Wir verlinken Schlagwörter zu relevanten Inhalten.
Bei diesem Ansatz geht es darum, es dem Leser möglichst einfach zu machen, an die gewünschten Informationen zu kommen, ohne von Pontius zu Pilatus zu laufen und ohne die Inhalte von Anbeginn der Zeit zu erklären. Welches Level an Information ist für meine LeserInnen das geeignete? Welches Vorwissen braucht es, um den Artikel zu verstehen? Ohne in einen Text mit tausend fachsprachlichen Ausdrücken und tausenden Links zu verfallen, möchten wir dem Leser pro Seite nur eine Frage beantworten.
Der Kontext ist keine Zusammenfassung
Der Kontext unterscheidet sich von der Zusammenfassung, die kurz und knapp die Inhalte der Seite selbst präsentiert, sich also textlich nach innen bezieht – wohingegen sich der Kontext nach außen richtet und die Verbindungen zu anderen Seiten im Netz der Informationen herstellt.
Im Journalismus gibt es den Grundsatz der umgekehrten Pyramide: ein Artikel beginnt mit den wichtigsten Informationen, Details werden nach und nach entwickelt. Folgen wir diesem Grundsatz auch für unseren Content, so werden in der Zusammenfassung bereits die wichtigsten Details des Artikels erwähnt. Keine Geheimnisse, kein Spannungsaufbau! Dies ist vor allem in Texten relevant, deren wichtigste Aufgabe die Informationsvermittlung ist. In Texten, die beeindrucken, verkaufen, überzeugen oder andere marketingrelevante Aufgaben erfüllen möchten, kann der Bogen der Spannung ruhig noch etwas aufgezogen bleiben.
Noch einmal in Kürze: Stellt eine einzelne Seite einer Website, eines Wikis oder eines Intranets guten Kontext her, so ist es für LeserInnen leichter, sich zurechtzufinden und schnell zu entscheiden, ob die gefundenen Informationen für sie interessant sind. Der Inhalt stellt sich in den Kontext auf der Ebene des gesamten Webs, der einzelnen Website und des Inhalts an sich. Gibt man sich die Mühe, guten Kontext zu definieren, gelingt es eher, die „falschen“ LeserInnen rasch und sicher loszuwerden – und die „richtigen“ LeserInnen zu behalten: Die, für die unsere Inhalte relevant und interessant sind.
Weiterlesen:
- Mark Baker: Every Page is Page One. 2013.
- Daniel Kahneman: Schnelles Denken, langsames Denken. 2011.
- Steve Krug: Don’t Make Me Think. A Common Sense Approach to Web and Mobile Usability. 2014.
Bildquellen: Raul Cacho Oses auf Unsplash