„Da kennst nur du dich aus!“ – Gedanken zu Workflows der persönlichen Informationsverarbeitung9 min Lesezeit

Art, Struktur und Abfolge der Informationsverarbeitung sind stark persönlichen Einflüssen ausgesetzt. Die eigene Persönlichkeit mit ihren Stärken, Schwächen und Vorlieben, aber auch Gewohnheiten und gelernte Verhaltensweisen prägen die Modalitäten der Informationsverarbeitung. Über die Herausforderungen im persönlichen Wissensmanagement.

Damit Daten, Fakten und Informationen zu Wissen werden können, müssen sie einen Aufnahme- und Transformationsprozess durchlaufen, der nicht unabhängig vom Menschen betrachtet werden kann. Persönlichkeitsaspekte wie Risikofreudigkeit, Neugier und Sammlertrieb (sowie ihre Gegenteile) haben alle Einfluss auf die eigene Informationsverarbeitung – im Kopf wie in der Welt. Für Dan Norman gibt es zwei Orte für das Wissen: den Kopf und die Welt. Alles, was wir in die Welt auslagern, müssen wir uns nicht merken, alles, was wir im Kopf behalten, müssen wir nicht suchen. Wissen im Kopf und in der Welt spielen zusammen, keines geht ohne das andere.

Alles, was wir in die Welt auslagern, müssen wir uns nicht merken. Alles, was wir im Kopf behalten, müssen wir nicht suchen.

So sehe ich das auch in der Informationsverarbeitung: Zum besten Ergebnis führt eine Kombination aus dem persönlichen Verständnis und der Logik von Ordnung mit der Nutzung von für bestimmte Aufgaben als sinnvoll erachteten Werkzeugen. „Oh wow, wie findest du dich denn in diesen 100 Ordnern zurecht?“ – „Kein Problem, ich habe sie ja selbst erstellt.“ 

Gleichzeitig spielen auch Randfaktoren wie Zeitdruck und technische Gegebenheiten in der Informationsverarbeitung eine große Rolle. Allen Einflussfaktoren gegenüber steht das tendenzielle Bestreben, mit möglichst wenig Aufwand möglichst schnell zum bestmöglichen Ergebnis zu kommen. Im Spannungsverhältnis mit dem Faktor Zeit ist dabei nicht immer das qualitativ beste Ergebnis zu erreichen – aber auch nicht immer notwendig.

Noch einmal zusammengefasst: Alle Aspekte der Menschlichkeit und Individualität (die Arbeits- und Lernmotivation, die Tagesverfassung, Stärken/Schwächen der Persönlichkeit, persönliche Vorlieben und Abneigungen, Gewohnheiten und erlerntes Verhalten, sozial erwünschtes Verhalten) haben Einfluss auf die Informationsverarbeitung, sei es unbewusst oder bewusst, sei es in der Welt oder im Kopf.

Geht es um die Dateiablage auf Computersystemen, wird man auf 100 Computern 100 unterschiedliche Systeme finden. Ein Beispiel: Sortieren wir Projekte in Ordner, können wir zwei (oder mehr) Ansätze wählen:

Abb. 1: Projektsortierung nach Jahren
Abb. 1: Projektsortierung nach Jahren (Screenshot: Sabine Melnicki)

 

Abb. 2: Projektsortierung nach Projekten
Abb. 2: Projektsortierung nach Projekten (Screenshot: Sabine Melnicki)

 

Das ist bereits eine sehr simplifizierte Darstellung, sie berücksichtigt z.B. nicht, dass Kund/innen auch mehrere Projekte in Auftrag geben können. Die Darstellung soll nur in einfachem Stil das Dilemma veranschaulichen, wie unterschiedlich Informationen abgelegt werden können. Beide Versionen können in unterschiedlichen Kontexten die bessere Lösung sein.

Dieses Dilemma zwischen zeitlicher Chronologie und thematischer Sortierung nenne ich das „Ostern-Henne-Problem“. Es taucht auch versteckt auf. (Man verzeihe mir diesen Kalauer).

Die Teilaktionen meines Informations-Workflows

In meiner persönlichen Informationsverarbeitung kann ich nicht stark zwischen privatem und beruflichem Umfeld unterscheiden, da ich als Einzelunternehmerin die Grenzen zwischen Beruflichem und Privatem fließender ziehe als etwa in früheren Angestelltenverhältnissen. Dreh- und Angelpunkt sind meine (digitalen & analogen) Arbeitsgeräte, die ich größtenteils sowohl beruflich als auch privat verwende. Probiere ich nun eine Taktik im Beruf aus und sie erweist sich als nützlich, so setze ich sie auch privat um – und vice versa.

Zur Informationsverarbeitung zählen für mich folgende Teilaktionen, denen unterschiedliche Orte, Tools und Abfolgen zuzuordnen sind. Die Teilaktionen korrespondieren mit unterschiedlicher Tiefe in der Wissenspyramide: für Daten brauche ich vielleicht andere Ablage- und Arbeitssysteme als für Wissen.

Abb. 3: Wissenspyramide
Abb. 3: Wissenspyramide (Vereinfachte Darstellung: Sabine Melnicki)

Beispiele für Informationsworkflows zur Themenarbeit 

Inspiration/Recherche. Ich lese einen interessanten Artikel auf dem Smartphone, den ich mir merken möchte. Ich sende ihn mir per Mail an Trello an eines meiner Boards und notiere mir gleich ein paar Gedanken und Stichwörter dazu, sodass ich nicht jeden Artikel aufs Neue überfliegen muss. Später muss ich den Artikel auf Trello noch in die richtige Spalte verschieben (denn Trello erlaubt das Senden an Boards, nicht aber an eine bestimmte Liste). Lese ich den Artikel auf dem Standrechner – was immer seltener vorkommt – füge ich mit der Browser-Extension den Artikel gleich zur passenden Trello-Liste hinzu. 

Idee/„Stub“. Ich notiere mir eine Idee, entweder als Notiz auf meinem Smartphone oder als Notiz auf meinem Computer. Oft sind diese Ideen nur ein paar Zeilen lang und kommen deshalb nicht gleich in ein Dokument oder das Wiki. Um nicht mit einer großen Anzahl an Kleinigkeiten überschwemmt zu werden, versuche ich mich an den Workflow zu halten, am Ende des Tages oder der Woche die Notizen zu evaluieren. Brauchbares wird in das Wiki übertragen, Aufgaben kommen in die Aufgabenliste, der Rest wird gelöscht. Die Herausforderung besteht hier in der Evaluation der Ideen im Erststadium.

Die Suche. Im Web teilt sich die Menschheit in zwei Teile: jene, die die Suche verwenden und jene, die browsen, bis sie die gewünschte Information finden. Wir tendieren in eine Richtung, es seien uns aber beide Möglichkeiten gegönnt. (Wir bedienen die Suche, wenn wir des Browsens müde sind, oder browsen, wenn die Suche keine guten Ergebnisse lieferte). Auch in der Dateiablage versuche ich mir beide Wege zu ermöglichen:

  • Um über das Browsen fündig zu werden, strukturiere ich meine Ablage in so wenigen Hierarchieebenen wie möglich (und so vielen wie nötig). Für sich wiederholende Inhalte übernehme ich eine Grundstruktur, um nicht „das Rad“, bzw. die Struktur, jedes Mal neu erfinden zu müssen.
  • Um über die Suche zu finden, lege ich Wert auf sprechende Dateinamen mit Stichwörtern und möglichst wenig Redundanz in den Dateiversionen.

Analyse/Ausarbeitung/Konzept. Für längere Themenarbeiten verwende ich die gängigen Textverarbeitungsprogramme (MS Word, Libre Office), steige aber immer mehr auf visuelle Unterstützungen um. Es hilft mir manchmal, beim zielgerichteten Texten eines Blogeintrags ihn gleich im Layout zu verfassen. Auch texte ich Printpublikationen oder Präsentationen gleich im Designprogramm. Den Schritt der Texterstellung auf einem Blatt Papier überspringe ich hier bewusst.

Weitere Workflows könnten etwa die der Weitergabe/Publikation und die der Formatänderung sein.

Meine Werkzeugkiste für die Aufgabenbearbeitung

Einen großen Teil der Informationsverarbeitung stellt die Aufgabenbearbeitung dar. Aufgaben von außen oder Maßnahmen zum Erreichen selbst gesteckter Ziele wollen organisiert und abgewickelt werden. Hauptaspekte in der Aufgabenbewältigung ist das Behalten eines guten Überblicks, die Priorisierung und die Möglichkeit der Weitergabe durch Delegieren.

Ich arbeite auf Apple Computern, bin aber durch die Zusammenarbeit mit Nutzer/innen andere Systeme nicht auf diese beschränkt. Einen großen Anteil bilden auch Onlinesysteme. Es ist nicht schwierig, ein passendes Tool für meine Aufgaben und Ideen zu finden, sondern diese einzelnen Tools abzustimmen und regelmäßig zu bearbeiten, zu warten und zu leeren.

Apple Mail. Mein Maileingang muss nicht mehr als Aufgabenliste herhalten, denn damit bin ich nicht glücklich geworden. Stattdessen lege ich beantwortete Mails in inhaltlich sortierten Ordnern ab und übertrage Aufgaben zum Erledigen direkt in den Kalender oder in meine Aufgabenliste. Da ich eine hohe Anzahl an unterschiedlichen E-Mail-Adressen (~15) abfragen muss, ist ein E-Mail-Programm unabdingbar. Ich würde mir für Apple Mail bessere standardmäßige Unterstützung von praktischen Funktionen wünschen wie „Snooze“, später Senden, Nachfassen. Gerade die Funktion des Nachfassens erscheint essentiell: Wie kann ich mich daran erinnern, nachzuhaken, wenn ich noch keine Antwort auf eine E-Mail erhalten habe? Die Extension MailButler hat einige dieser Funktionen, ist aber kostenpflichtig. Der Umstieg auf ein umfangreicheres System ist bereits angedacht, wird aber aufgrund des hohen Zeitaufwands nicht in nächster Zeit umgesetzt.

Kalender. In den Kalender trage ich alle terminierbaren Aufgaben ein, bevorzugt weise ich wichtigen Aufgaben ohne Termin bereits einen bestimmten Zeitraum zu, dazu verwende ich einen fixen Kalender und einen Zeitblock/Ideenkalender. Die Terminübersicht strukturiert den Tag, schnelle Agenden für Meetings können direkt in den Kalender eingetragen werden – besser eine schnelle Agenda als keine! Auch Raumbelegungen im Gemeinschaftsbüro, Feiertage und grobe Planungsstrukturen werden im Kalender vermerkt.

Abb. 4: Kalender
Abb. 4: Kalender (Screenshot: Sabine Melnicki)

Ich trauere meinem analogen Kalender recht nach, weil ein digitaler Kalender weder das haptische Gefühl noch die Journal-Funktion gut genug erfüllen kann. Nach einer Zeit von parallel geführten Kalendern habe ich jedoch aus Gründen der Einfachheit recht schnell auf den digitalen gewechselt. Nicht das positive Gefühl überwog, sondern die Effizienz. 

Aufgabenliste. Derzeit wieder händisch in einem kleinen Buch. Einzelne Seiten für Projekte, je weiter oben die Aufgabe steht, desto dringlicher. Ich versuche mich weitgehend in der Ausübung des Eisenhower-Prinzips:

  • Dringende & wichtige Aufgaben – erledige ich sofort/heute
  • Nicht dringende & wichtige Aufgaben – terminiere ich im Kalender
  • Dringende & unwichtige Aufgaben – delegiere ich
  • Nicht dringende & unwichtige Aufgaben – lösche ich 

Trello. Trello ist meine Liste für alles Mögliche, das ich mir merken will. Zeitungsartikel, Websites, Personen, Ideen. In Trello kommt alles, das noch unausgegoren ist, es ist ein bisschen wie meine Wühlkiste. Ich sammle z.B. interessante Links und ordne sie nach Themen. Wenn ich später an diesem Thema einmal arbeite, arbeite ich diese Liste ab. Dabei versuche ich die Liste zu leeren, indem ich die Inhalte weiterverarbeite. Wichtiges kommt ins Wiki oder wird gleich als Textansatz weiterverarbeitet.

Wiki. Mein Wiki ist mein Tresor für alles Textlastige. Hier wird deponiert, was anderswo gelöscht wird. Textversionen, Snippets, Ausarbeitungen. Ideen für Recherche kommen in Trello, die Ergebnisse dann ins Wiki. Das Wiki eignet sich für große Textmengen jeder Art – und deshalb spare ich hier auch nicht.

Dateiablage. Noch keine finale Lösung habe ich gefunden für die Dateiablage: Sollen digitale Dateien ausgedruckt werden? Oder analoge Dateien eingescannt? Im Moment gibt es eine Kombination aus beidem, je nach Anforderung. Meine Buchhaltung mache ich noch altmodisch auf Papier (Rechnungen in Ordnern), überlege aber, bereits im nächsten Jahr umzustellen, einzuscannen statt auszudrucken und somit digitaler zu werden.

Fazit

Beispiele sollten zeigen, wie individuell gefärbt die Informationsverarbeitung abläuft. Die Auswahl geeigneter Prozesse und unterstützender Systeme hängt stark von der Aufgabe, dem Kontext, den Rahmenbedingungen und nicht zuletzt von der individuellen Persönlichkeit ab. Gleichzeitig ist die Struktur des Wissensmanagements und der Informationsarchitektur eine sich wandelnde, sie muss den immer neuen Bedürfnissen angepasst werden. Ein Blick auf Strukturen und Systeme kann also stets nur eine persönliche Momentaufnahme darstellen.

 

 

Zum Weiterlesen:

4 thoughts on “„Da kennst nur du dich aus!“ – Gedanken zu Workflows der persönlichen Informationsverarbeitung9 min Lesezeit

  1. Hallo Sabine!

    Toller Artikel! Du scheinst ja mit deinem Workflow und deinen Tools richtig gut arbeiten zu können. Für mich schreit diese Darstellung allerdings förmlich nach einer Grafik. Du solltest dir eine Infrastruktur- und Werkzeug-Landkarte zurecht legen – ganz im Sinne von „Sense“.

    LG
    Markus

  2. Hallo Sabine,
    ein wirklich toller Artikel. Ich finde es erstaunlich, wie ähnlich manchmal Herangehensweisen sein können und dann machen es die kleinen feinen Unterschiede aus, die man für sich entdeckt und die dann funktionieren. Vielen Dank, für den Einblick in Deine persönliche Organisation von Infos & Wissen. Sehr interessant finde ich Deinen Wiki-Tresor. Viel Erfolg weiterhin, natürlich auch im Studium!
    Liebe Grüße
    Herta

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