Die Transformation des Wissensmanagements3 min Lesezeit

Mit fortschreitender digitaler Transformation aller Lebensbereiche sind Begriff und Theorie des „Wissensmanagements“ in die Jahre gekommen. Betrachtet man jenes Konzept der Managementtheorie aus neuem Blickwinkel, tritt die digitale Kommunikation in den Vordergrund. Eine Annäherung an einen neuen Zugang.

In einer digitalisierten Informationsgesellschaft, in der traditionelle Berufsbilder zugunsten neuer Experten- und Informationsfelder verdrängt werden, gibt es mehr Wissensarbeiter denn je. Welchen Weg müssen heute WissensmanagerInnen und Wissensmanagement-Institute im weiteren Sinne gehen, um ihre Modelle den Gegebenheiten von Heute und Morgen anzupassen?

Das Konzept „Wissensmanagement“, wie es Nonaka und Takeuchi im letzten Jahrhundert mitbegründeten und um das sich eine fundierte Methodentheorie entwickelte, erfuhr seinen Höhepunkt bereits in den 90er Jahren. Wenn auch die Masse der Unternehmen bis auf Early Adopters erst spät Methoden dieser Theorie einsetzten, erfuhr die Unternehmensorganisation zur Jahrtausendwende mit dem Aufschwung des Internets eine Trendwende. Technische Neuerungen veränderten das NutzerInnenverhalten im Netz hin zu interaktiver und kollaborativer Arbeitsweise. Es entstand das sog. Web 2.0, das auch in Unternehmen die Wissensarbeit sozialer machte und das Social Business, das Enterprise 2.0, begründete.

Information wird expliziter definiert, Wissen impliziter

Die Grundannahme der Wissensmanagementtheorie, Wissen ließe sich speichern, verteilen und nutzen, hat sich als nicht haltbar erwiesen, da Wissen nicht gegenständlich verstanden werden kann. Heute geht man von einem Wissensbegriff aus, der das Entstehen und Speichern von Wissen als mit dem Menschen untrennbar definiert.

Im Verständnis, Wissen könne nur in den Köpfen der Menschen entstehen und nicht verschriftlicht werden, muss eine stärkere Abgrenzung zur Idee der „Information“ erfolgen. Information wird immer leichter zugänglich, heute online, beinahe jederzeit und für jeden. Gleichzeitig wird das Informationsangebot insgesamt immer größer, die Datenmenge potenziert sich täglich. Aus dem Datenmaterial werden neue Informationen generiert, die neue Erkenntnisse liefern können und ein immer wichtiger werdendes Gut in der Wirtschaft darstellen (Stichwort: Big Data). Etwa sind heute Daten- und Bewegungsprofile von KundInnen die Basis für Angebotsentscheidungen eines Unternehmens; der „gläserne Kunde“ ist nicht der Einzelne, sondern das Profil einer Kundengruppe, auf die das Unternehmen seine Marketingstrategie passgenau zuschneiden kann.

WissensmanagerInnen brauchen die klare Unterscheidung zwischen Daten und Informationen einerseits und dem Wissensbegriff andererseits, um ihre Arbeit abzugrenzen. Sie setzen dort an, wo der Computer nicht mithalten kann und Daten alleine nicht greifen: in den Köpfen der Menschen. Wissen bedeutet heute vor allem das Vernetzen, In-Verbindung-Bringen und Interpretieren von Daten. Das Deuten und Auslegen von Daten wird noch lange dem Menschen vorbehalten bleiben.

Wissensvermittlung wird Prozessvermittlung

Der Erwerb von Fach- und Spezialwissen ist heute keine Frage der Vermittlung mehr, sondern des Zugangs. Aus unterschiedlichen Quellen schöpfend obliegt es den Interessierten, sich in Fachgebieten aus- und weiterzubilden; in naher Zukunft steht alles Wissen der Bibliotheken im Netz. Lehrende fungieren nun als Moderierende und Begleitende und vermitteln Prozesswissen, um die Lernenden zur autonomen Aneignung von Wissen anzuleiten. Dieses Prozess- und Orientierungswissen gewinnt in wachsender Informationsdichte immer mehr an Bedeutung.

Zugleich spielen die Möglichkeiten der digitalen Kommunikation und Vernetzung eine zentrale Rolle. Wissen wird mehr denn je geteilt und besprochen, was zu vermehrten Rückmeldungen, neuen Publikumsfeldern und Zielgruppen führt. Über die digitalen Kanäle gelangen auch private, soziale und mithin profane Themen in die Öffentlichkeit, wonach oft der Verlust an Inhaltsqualität beweint wird.

Gute Netzwerke decken zudem große Bereiche des Allgemeinwissens ab, was Einzelnen Raum für Spezialisierung freispielt. Heute fragt man Google und das Netzwerk, bevor man die Bücher bemüht.

WissensmanagerInnen müssen ihre Arbeit also heute rund um digitale Kommunikation definieren, digitale Kanäle kennen und bespielen und um ihre Möglichkeiten und Grenzen wissen. Die veränderte Öffentlichkeit, Gruppen und Communities sind als Quelle und Ziel jeder Wissensarbeit zu verstehen.

Digitalisierung ist Chefsache

Technische Innovationen verändern das Angebot am Markt, die Ansprüche der VerbraucherInnen und den Wettbewerb. Disruptive Geschäftsmodelle bedrohen bestehende Absatzmärkte und kreieren gleichzeitig neue Geschäftsfelder. Diesen Veränderungen können UnternehmerInnen nur offen, ernsthaft und strategisch begegnen, wenn sie mit ihrem Unternehmen nicht nur bestehen, sondern wachsen möchten. Die Innovationskraft eines Unternehmens stellt dabei den Schlüsselfaktor und Dreh- und Angelpunkt der Arbeit zukünftiger WissensmanagerInnen.

4 thoughts on “Die Transformation des Wissensmanagements3 min Lesezeit

  1. Super Artikel! Ich habe auch schon Dinge wie „Wissensmanagement ist tot“ gehört…

    Zum Thema Lehrende: Ich denke, dass die Lehrperson ist Vortragender, Tutor und Coach in einem ist. Abhängig von der didaktischen Situation sollte sie immer eine andere Seite zum Vorschein bringen. Das Wissen ist zwar im Netz, aber es müssen grundlegende Fähigkeiten erlernt und Kompetenzen entwickelt werden, um mit der Informationsflut umgehen zu können. Ich weiß nicht, ob ich dazu wirklich „Prozesswissen“ sagen möchte, da spielt ja so viel rein, auch Literacy (digitale und analoge Literacy wird zu einem). Es ist eben nicht nur ein einfacher Prozess, der befolgt wird, es ist eher eine Kompetenz, das ist vielleicht ganzheitlicher.

    Auf jeden Fall hat mich dein Artikel zum Nachdenken gebracht 🙂 Danke dafür!

    1. Das gefällt mir. Vielleicht nennen wir es „Wissenskompetenz“ und verstehen darunter alles, was wir uns vorstellen. 🙂 Haha, nun, zumindest Prozesswissen und Autonomie (wo finde ich etwas, wie finde ich mich alleine zurecht?) sind bestimmt Dinge, die in diesem Zusammenhang wichtig bleiben. Vielleicht müsste man statt „Prozesswissen“ auch wieder „Prozesserfahrung, Prozesskompetenz“ sagen, denn das Wissen alleine reicht ja bei Prozessen auch wieder nicht.

      Danke für deine Gedanken! 🙂

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